Mula Sutta

Verwurzelt

„Mönche, wenn Wanderer anderer Glaubensgemeinschaften euch fragen:
‚Worin sind alle Erscheinungen verwurzelt?  Wie erfolgen sie?  Was bringt sie hervor?  Wo treffen sie zusammen?  Welcher Zustand leitet sie?  Welcher herrschende Grundsatz bestimmt sie?  Worin liegt ihr unübertrefflicher Zustand?  Was ist ihr Kernholz?  Wo fassen sie Fuß?  Was ist ihr endgültiges Ende?’
Wenn ihr von Wanderern anderer Glaubensgemeinschaften so gefragt werdet, wie würdet ihr antworten?“

„Für uns, Herr, haben die Lehren den  Erhabenen als ihre Wurzel, als ihren Führer und als ihren Schiedsmann.  Es wäre gut, wenn der Erhabene selbst die Bedeutung dieser Aussage erläutern würde.  Nachdem sie es von dem Erhabenen gehört haben, werden sich die Mönche daran erinnern."

„In diesem Fall, Mönche, hört aufmerksam zu.  Ich werde sprechen."

„Wie ihr sagt, Herr", antworteten die Mönche.

Der Erhabene sprach:
„Mönche, Wanderer anderer Glaubensgemeinschaften euch fragen:
‚Worin sind alle Erscheinungen verwurzelt?  Wie erfolgen sie?  Was bringt sie hervor?  Wo treffen sie zusammen?  Welcher Zustand leitet sie?  Welcher herrschende Grundsatz bestimmt sie?  Worin liegt ihr unübertrefflicher Zustand?  Was ist ihr Kernholz?  Wo fassen sie Fuß?  Was ist ihr endgültiges Ende?’
Wenn ihr von Wanderern anderer Glaubensgemeinschaften so gefragt werdet, solltet ihr folgendermaßen antworten:

„Alle Erscheinungen sind in der Begierde verwurzelt. (1)

„Alle Erscheinungen erfolgen durch Aufmerksamkeit.

„Alle Erscheinungen werden durch Kontakt hervorgebracht.

„Alle Erscheinungen treffen im Gefühl zusammen.

„Alle Erscheinungen werden von dem Zustand der Geistessammlung geleitet.

„Alle Erscheinungen werden vom herrschenden Grundsatz der Achtsamkeit bestimmt.

„Alle Erscheinungen haben Erkenntnis als ihren unübertrefflichen Zustand.

„Alle Erscheinungen haben die Befreiung als ihr Kernholz.

„Alle Erscheinungen fassen im Todlosen Fuß.

„Alle Erscheinungen haben Entfesselung als ihr endgültiges Ende.

Wenn ihr von Wanderern anderer Glaubensgemeinschaften so gefragt werdet, solltet ihr in dieser Weise antworten.“


Anmerkungen

(1)  Gemäß den Erläuterungen zu AN 8.83 (wo die ersten acht der zehn Fragen, die hier angegeben werden, behandelt) bedeuten hier ‚alle Erscheinungen’ (sabbe dhamma) die fünf Anhäufungen. Diese sind in Begierde verwurzelt, heißt es, da der Wunsch zu handeln (und somit kamma zu schaffen) ihrer Existenz zugrunde liegt.  Die Auslegung des Kommentars scheint hier eine Erweiterung von MN 109 zu sein, in der es heißt, dass die fünf Anhäufungen ‚des Anhaftens’ in Begierde verwurzelt seien, eine Behauptung, die in SN 42.11 widergehallt ist, wo steht, dass Leid und Stress in Begierde verwurzelt sind.  Hier heißt es, dass alle Anhäufungen - ob sie durch ‚Anhaften’ oder nicht betroffen sind - in Begierde verwurzelt seien. 

Der Kommentar besagt weiterhin, dass die Aussage ‚Alle Erscheinungen sind in der Begierde verwurzelt’ sich ausschließlich auf weltliche Erscheinungen bezieht, während die übrigen Aussagen über alle Erscheinungen sowohl weltliche als auch transzendente Erscheinungen behandeln. 
Es scheint weniger Grund zu geben, die erste Behauptung des Kommentars hier zu berücksichtigen, da der edle achtfache Pfad, wenn er zur Reife gebracht wird, als transzendent zählt und er ist offensichtlich in einer geschickten Form der Begierde verwurzelt.

Was das Transzendente in seine endgültigen Form betrifft, der Ausdruck ‚alle Erscheinungen’, wie er in dieser Sutta gebraucht wird, umfasst nicht Entfesselung, da Entfesselung nicht in irgendetwas etwas verwurzelt ist und da, wie die letzte Aussage angibt, sie das endgültige Ende aller Erscheinungen ausmacht.  Somit scheint diese Sutta in die Gruppe der Sutten zu gehören, die Entfesselung nicht als eine Erscheinung einstufen würden.
(Zu diese Frage, siehe Anmerkungen zu AN 3.134.)


translated from the Pali by Thanissaro Bhikkhu
Übersetzung aus dem Englischen nach Thanissaro Bhikkhu